Lehningen im Streifzug seiner Geschichte - seine Kuckuckstropfen und Liqueurspezialitäten

Lehningen in den 1920er Jahren

Das verträumte Lehningen liegt 20 km südöstlich der Goldstadt Pforzheim am Rande des Enzkreises. Seit der Gemeindereform 1972 gehört Lehningen als kleinster Teilort zur Gesamtgemeinde Tiefenbronn.

Die erste überlieferte urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1272 anlässlich einer Schenkung der Witwe Werners von "Loningen" an ihren Sohn Konrad beim Eintritt in das Kloster Herrenalb. Die wechselvolle Geschichte des örtlichen Niederadels begann vor über 700 Jahren und wurde im weiteren Verlauf ab dem frühen 15. Jahrhundert durch die Herren von Gemmingen geprägt. Ein langjähriger Zwist um die Reichsunmittelbarkeit wurde erst im Zeitalter der Napoleonischen Neuordnung der politischen Verhältnisse entschieden und die Gemmingenschen  Gebiete wurden auch ausgelöst durch nicht zu lösende wirtschaftliche Schwierigkeiten durch Hungersnot und Mißernten schliesslich im Großherzogtum Baden eingegliedert. Noch heute ist die Grenze zwischen Baden und Württemberg am unweit entfernten Landgraben zu sehen und auf der schlecht ausgebauten Kreisstraße in die schwäbische Metropolregion auch förmlich zu spüren.

Seit Jahrzehnten beraten die Politiker in einer unendlich anmutenden Geschichte über den dringend notwendigen Ausbau der holprigen Wegstrecke in den Großraum Stuttgart.

Der nach dem zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland geflüchtete Dorfschullehrer Lindner machte es sich in seiner Lehninger Zeit nicht nur im Heimatkundeunterricht zur Aufgabe, Lehningen in seiner heimatkundlichen Bedeutung, die geschichtlichen Hintergründe und deren Entwicklung nicht nur in seinem Heimatbuch minutiös aufzuarbeiten.

In den 1960-iger Jahren rühmten wir uns im Zeitalter des einmaligen Wirtschaftswunders, an der Pforte zum Schwarzwald zu liegen. Lokale Ansichtskarten sind noch heute Zeuge dieser einmaligen Epoche. Im nahegelegenen Mühlhausen verbrachten zu dieser Zeit zahlreiche Hamburger bei Emil Iffert im Adler in Mühlhausen ihren Jahresurlaub in der idyllischen Umgebung des nördlichen Schwarzwaldes. Das einst verträumte Bauerndorf zählte noch vor 50 Jahren nur um ein hundert Herdstellen und war mit unwesentlich mehr als 300 "Seelen" ein abgeschiedener Flecken.

Die ohnehin andauernde schlechte wirtschaftlich Situation und die kärglichen Einkommen, die durch die kleine Landwirtschaft der Dorfbewohner erzielt wurden, führten Mitte des 19. Jahrhunderts zum nostalgischen Bild der „Rassler“. In der damals aufstrebenden und florierenden Goldstadt Pforzheim fanden die Rassler aus dem Biet ihren willkommenen Nebenerwerb als Goldschmied und Poliseuse. Einzelnen Pendlern bot der Milchbauer Josef Bogner die Möglichkeit auf seinem Lastwagen zum Milchhof nach Pforzheim mitzufahren. Die in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts neu geschaffene Kraftpostlinie über die Bietgemeinden nach Pforzheim brachte dann eine entscheidende Verbesserung für das abgeschieden gelegene Lehningen und machte die Rassler zu Berufspendlern.  Den vom Wohlstand nicht verwöhnten Dorfbewohnern wird damit hin und wieder ein Besuch in der Goldstadt zur Realität. Jahre zuvor war der Fußweg übers Grund  am Büchelberg vorbei nach Weil der Stadt eine bescheidene Alternative als Einkaufsmöglichkeit.

 

Die entscheidende durchgreifende Verbesserung des Lebensstandard brachte Anfang der 50-iger Jahre der Daimler in Sindelfingen wo zahlreiche Arbeiter täglich mit den Schuhmacherbussen zur Schicht fuhren.  Zuhause bewirtschafteten die Frauen nebenbei oft mit Hilfe der Kinder die kleine Landwirtschaft und besserten mit  Heimarbeit  das kärgliche Einkommen auf.

 

Erst nach dem zweiten Weltkrieg stieg mit dem Zuzug und der Integration der Heimatvertriebenen  schliesslich die Einwohnerzahl in Lehningen etwas an. Das für  jedermann merklich aufkeimende Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren brachte Jahr für Jahr nicht gekannten Wohlstand und auch das verträumte Lehningen konnte sich der weiteren Entwicklung nicht entziehen. Niedrige Grundstückspreise und die Erschließung von Neubaugebieten lockten viele "Häusle-Bauer" nach Lehningen, wo auch Dr. Walter Klaschka als Heimatvertriebener aus dem Sudetenland kommend als  Pionier und Visionär zeitgleich mit seiner neu gegründeten Firma Dr. Klaschka und seiner innovativen Industrieelektronik in den 1960er Jahren zu einem industriellen Zentrum wurde.

Noch im Jahrzehnt des Wirtschaftswunders waren die Einklassen-Zwergschule mit dem geschätzten Dorfschullehrer Hubert Lindner, zwei Gasthäuser und zwei Tante-Emma-Läden die einzigen sozialen Mittelpunkte, die den dörflichen funktionierenden Alltag nachhaltig bereicherten. Und das alles ohne die heute nicht mehr wegzudenkende individuelle Mobilität. Es gab wirklich nicht viel und die ersten Autos waren das Privileg einzelner. Der einzige kulturelle Mittelpunkt Lehningens bildet noch heute die aus dem 15. Jahrhundert stammende alte Wehrkirche, die der Heiligen Ottilia geweiht ist und mit den barocken Altären eine harmonische Ausstrahlung hat.

Heute ist Lehningen überwiegend Schlafort zahlreicher Berufspendler, die bei einem der bekannten schwäbischen Unternehmen in der Metropolregion Stuttgart beschäftigt sind. Durch die 2015 neu entstandenen Forschungs- und Entwicklungszentren bei Bosch und Porsche im benachbarten Strohgäu erfährt der Ort weiteren Zulauf. Nach der Insolvenz der Firma Dr. Klaschka in Lehningen wurde das Gelände renaturiert. Mittlerweile ist das Neubaugebiet "Heimerwegwiesen" auf dem ehemaligen Firmenglände der Klaschka Industrieelektronik vollständig bebaut und trägt bei einer sich verändernden Infrastruktur mit seinen über 60 neu gebauten Einzel- und Mehrfamilien-Häusern zu einer weiteren positiven Bevölkerungsentwicklung bei.  In etwas abgewandelter Bedeutung aus Schillers Glocke der Aphorismus: "Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten ..." zeichnen sich auch in Lehningen nicht umkehrbare sozial-politische Veränderungen ab.

 

Die einst vorhandenen funktionierenden dörflichen Strukturen in Lehningen konnten mit dem raschen Wandel der Veränderungen nicht Schritt halten und sind jetzt bereits Geschichte. Nur den Ureinwohnern Lehningens sind die Dorfgeschichten in ihrer eigentlichen Tragweite bekannt. Mittlerweile hat sich die Bevölkerung trotz fehlender innerörtlicher Infrastruktur durch die industriellen Zentren der Metropolregion im "Schwäbischen" fast vervierfacht.

 

 

 

 

 

Das charakteristische Ortsbild Lehningens im Sommer 2018

Die Lehninger Guguge beim Faschingsumzug      

Die 2009 vom OGV Lehningen gegründete Häs- und Zunftgruppe "d´Guguge" ist bei den Tiefenbronner Faschingsumzügen des TCV und beim Nachtumzug des Narrenbundes Schellau in Schellbronn nicht mehr wegzudenken. Die Lehninger Guguge überraschen seitdem beim Faschingsumzug des TCV in Tiefenbronn mit einem gelungenen Auftritt. Ein highlight sind neben den Kostümen und den künstlerischen Kuckucksmasken das originelle Schwarzwaldhaus der Guguge. Die Metapher "fünf vor zwölf" auf der großen Kuckucksuhr trifft sicher nicht für die Zunftgruppe der "Guguge" zu.

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